Audiologie & Neurootologie

Hörsturz und Tinnitus

Unter einem Hörsturz versteht man das plötzliche Abfallen der Innenohrhörfähigkeit ohne, dass eine äußere Ursache wie eine Mittelohrentzündung oder ein Schalltrauma vorliegt. Der Betroffene bemerkt in der Regel ein plötzliches Druckgefühl auf einem Ohr, welches  sich durch einen Druckausgleich nicht beheben lässt, verbunden mit einem verminderten Hörvermögen. Töne können verzerrt klingen, häufig wird begleitend ein pfeifendes und permanentes Ohrgeräusch (Tinnitus)  wahrgenommen. Das Ohrgeräusch kann ebenso andere Qualität besitzen: Rauschen, Surren, motorenartig u.a. Auch Drehschwindel oder ein Unsicherheitsgefühl kann auftreten.

Ohrgeräusche verschiedener Qualität, Intensität und Dauer ohne Abfall der Hörfähigkeit werden mit dem alleinigen Begriff Tinnitus abgedeckt. Zwischen den nur Sekunden dauernden Ohrgeräuschen und dem chronischen Tinnitus (länger als 6 Monate)  liegt ein buntes Spektrum an Variationen. Eine Vielzahl von Ursachen gilt es diagnostisch zu unterscheiden.

Therapie der Wahl ist eine Infusionstherapie mit einerseits durchblutungsfördernden (rheologischen) Medikamenten, andererseits Cortison in einem absteigenden Dosierungsschema. Infusionstherapien werden heutzutage nur noch ambulant durchgeführt. Bei leichteren Fällen mag man auch zunächst nur mit einer Tablettentherapie beginnen. Dann sollte aber kurzfristig eine Hörtestkontrolle erfolgen, um bei Nichtanschlagen auf eine Infusionstherapie zu wechseln.

Als weitere Therapieoption führen wir die intratympanale Corticosteroid-Therapie durch. Hierbei wird das Medikament, flüssiges Cortison, nach einem kleinen Trommelfellschnitt direkt in die Paukenhöhle eingebracht. Der Trommelfellschnitt ist minimal invasiv und wird in örtlicher Betäubung schmerzfrei durchgeführt. Die intratympanale Cortisontherapie ist in Deutschland noch relativ selten, gilt aber in vielen amerikanischen Zentren bereits als Therapie der Wahl.

 

Schwindel

Unser Gleichgewichtsgefühl entsteht im Kleinhirn in der hinteren Schädelgrube durch die Integration von Lage- und Bewegungsinformationen aus den Augen, aus den beiden Innenohren und den „Messfühlern“  im Muskel-Gelenk-System. Diese drei „Kanäle“ liefern fortlaufend Informationen an das Kleinhirn des Menschen und ermöglichen uns eine sichere Beurteilung der Körperlage im Raum. Der Gleichgewichtssinn hat sich in der Evolution als erster Sinn entwickelt und ist naturgemäß sehr robust. Im Alltag wird dem Gleichgewichtssinn wenig Bewunderung geschenkt. Das Sehen und Hören erscheint uns so viel auffälliger. Sobald das Gleichgewicht jedoch gestört ist, wird schnell deutlich wie fundamental und erstaunlich kompliziert der Gleichgewichtssinn beim Menschen ist.  Verschiedene Krankheiten, Genussmittel, Medikamente oder Traumen können Störungen hervorrufen. Die Folge ist Schwindel (Vertigo) in Form von Drehschwindel, Schwankschwindel, Liftschwindel, Lageschwindel, Lagerungsschwindel, Bewegungsschwindel u.s.w.

Mit der Untersuchung von Schwindelsymptomen sind regelmäßig mehrere Fachgebiete vertraut: HNO-Ärzte (Innenohr), Neurologen (ZNS), Radiologen (Bildgebung Schädel), Orthopäden (HWS), Internisten (Herz-Kreislaufsystem) und Augenärzte.

HNO-Ärzten und Neurologen kommt hierbei eine herausgehobene Rolle in der Diagnostik des Schwindels zu.

 

 

Audiologische / neurootologische Untersuchungen

 

  • Tonaudiometrie mit Hochtonaudiometrie bis 18kHz (TA)
  • Tympanometrie
  • Otoakustische Emissionen (OAE)
  • Hirnstammaudiometrie (BERA)
  • cervicale Vestibulär Evozierte Myogene Potentiale (cVEMP)
  • Videonystagmographie (VNG)
  • Kalorische Vestibularisprüfung
  • Lage- Lagerungsprüfung nach Dix-Hallpike (LP)

 

 

Subseite Audiologische Testverfahren

Audiometrie (Hörschwellenbestimmung mittels Reintonaudiometrie und Hochfrequenzaudiometrie)

Es handelt sich hierbei um die allgemein bekannteste Form des Hörtestes, bei welchem reine Sinustöne im Frequenzspektrum von 125 Hertz bis 8.000 Hertz zur individuellen Hörschwellenbestimmung verwendet werden. Die Töne werden sowohl über einen typischen Kopfhörer (Schalleitung) und einem Knochenschwingkopf (Knochenleitung) angeboten. Wir verfügen in unserer Praxis zusätzlich über eine Hochfrequenzaudiometrie bis 18.000 Hertz. Hörschäden durch Infektionen, Schalltraumen oder Hörsturz lassen sich hiermit gut erfassen.

 

Impedanzmessung (Mittelohrdiagnostik)

Die Mittelohrhöhlen einschließlich der Trommelfelle dienen der Übertragung der mechanischen Schallwellen der Luft in das flüssigkeitsgefüllte Innenohr hinein, um aus diesen eine elektrische Nervenaktivität zu erzeugen. Dieser Prozess erfordert einen ausgeglichenen Luftdruck zwischen umgebender Atmosphäre und Mittelohr (sog. Druckausgleich). Die Anpassungen dieser Druckverhältnisse sind den meisten vom Fliegen und Tauchen gut vertraut. Störungen der Belüftung von Nase (z.B. Nasenscheidewandverkrümmung), Nasenrachen (z.B. kindliche Polypen), Verengungen der Tube oder Krankheiten des Mittelohres können die Belüftung einschränken. Diese Druckdifferenzen (Belüftungsprobleme) können mittels Impedanzmessung sehr gut beurteilt werden.

 

Die zusätzliche Messung des Stapediusreflexes erlaubt Auskünfte über die Beweglichkeit des sogenannten Steigbügels im Mittelohr (z.B. relevant bei Otosklerose).

 

OAE (Otoakustische Emissionen, Haarzellfunktionstest)

Otoakustische Emissionen (OAE) sind akustische Phänomene, welche  im gesunden Innenohr ein Ausdruck der Schwingungseigenschaften von Hörzellen (sog. „Haarzellen“) und Membranen ist. Es handelt sich dabei um echo-artige Schallsignale, die vom Innenohr nach einer erfolgreichen Schallverarbeitung via Mittelohr in den Gehörgang ausklingen („emittieren“). Eine hochsensible, kleine Sonde im Gehörgang erlaubt die Registrierung dieser Schallphänomene auf völlig schmerzfrei Weise. Die OAE-Messungen sind das derzeit beste Untersuchungsverfahren zur Beurteilung der Hörfähigkeit bei Säuglingen und Kindern. In zahlreichen Bundesstaaten der USA ist die OAE-Messung vorgeschriebener Teil der Früherkennungsuntersuchungen bei Neugeborenen und Kleinkindern sowie als Hörtest zur Einschulung. Sie findet ferner Anwendung zur therapie-begleitenden Verlaufskontrolle beim Hörsturz, Tinnitus oder Lärmtrauma sowie im Monitoring von innenohrschädigenden Medikamente. In unserer Praxis können wir sowohl die transitorisch evozierten OAE (TEOAE) als auch die Distorsionsprodukte (DP) durchführen.

 

BERA (Brainstem Evoked Response Audiometry  „Hirnstammaudiometrie“)

Die im Innenohr gebildeten elektrischen Signale werden über den Hörnerven zum Hirnstamm des Gehirns „geleitet“ und von den dort vorhandenen Umschaltstationen (Hirnstammkerne) in Richtung Zwischenhirn und Großhirnrinde geschickt. Die im Hörnerven ablaufenden Erregungsprozesse können mittels am Kopf aufgeklebter Elektroden registriert werden (ähnlich einem EKG am Herzen). Veränderungen in der Erregungsausbreitung (Laufzeit des Signals) lassen Rückschlüsse auf Erkrankungen im Bereich des Hörnervens und des Hirnstamms zu (z.B. Hirntumor Akustikusneurinom, Multiple Sklerose).

 

 

Video-Nystagmographie (VNG)

Unser Gleichgewichtsgefühl entsteht im Kleinhirn in der hinteren Schädelgrube durch die Integration von Lage- und Bewegungsinformationen aus den Augen, aus den beiden Innenohren und aus den „Messfühlern“  im Muskel-Gelenk-System. Diese drei „Kanäle“ liefern fortlaufend Informationen an das Kleinhirn des Menschen und ermöglichen uns eine sichere Beurteilung der Körperlage im Raum.  Bewegungen (insbesondere Drehungen) des Körpers führen normalerweise im Innenohr zu einer ansteigenden oder abnehmenden Signalintensität, welche vom Kleinhirn weiter verarbeitet wird. Damit wir bei diesen Bewegungen die optische Orientierung im Raum aufrecht erhalten können, wird das Kleinhirn nun aus den Bewegungsinformationen des Innenohres „Anweisungen“ für die Augen produzieren, eine Art Regie-Anweisung an den Kameramann entsteht. Bei starken oder anhaltenden Reizen entstehen unwillkürliche, also nicht bewußt kontrollierbare, Blickbewegungen, welche Nystagmus genannt werden. Bei einer Störung der Gleichgewichtsorgane (sog. Vestibularorgane) können solche Augenbewegungen bereits in Ruhe auftreten und sind z.B. Ausdruck einer asymmetrischen Innenohraktivität. Es sind subjektiv kaum wahrnehmbare Augenbewegungen. Gelegentlich spürt man ein leichtes Flattern der Augen. Unter einer sogenannten VNG-Brille mit integrierter Infrarotkamera können wir diese Augapfel-Bewegungen registrieren und Rückschlüsse auf die Ursache von Gleichgewichtsstörungen erhalten.

 

Kalorische (thermische) Vestibularisprüfung (VP)

Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr reagiert nicht nur auf Bewegungsreize mit einer Änderung der Signalrate. Auch thermische Reize, z.B. eine Spülung des Gehörganges mit kaltem  oder warmem Wasser, erzeugt eine Erregungsänderung. Solange die thermischen Reize gleichzeitig auf beiden Seiten (Gehörgängen) einwirken, führt dies zwar zu einer Erhöhung oder Erniedrigung der Signalraten, allerdings in symmetrischer Weise, ohne ein Schwindelgefühl hervorzurufen.

Es ist ein physiologisches Phänomen, dass mit einer einseitigen, thermischen Reizung des Gehörganges das betreffende Vestibularorgan im Innenohr auf seine Erregbarkeit getestet werden kann. Die an das Kleinhirn „gemeldeten“ asymmetrischen Erregungen erzeugen in der Untersuchung die entsprechenden unwillkürlichen Augenbewegungen, welche von uns mit der oben beschriebenen VNG-Technik gemessen werden. Mit dieser Untersuchung können wir feststellen, ob beide Gleichgewichtsorgane symmetrisch arbeiten oder eine Seite ausgefallen oder untererregbar ist. Bildlich gesprochen testen wir, ob sich beide Vorderräder an einem Fahrzeug gleich schnell drehen können. Wenn ein Rad klemmt, driften wir zu einer Seite ab. Eine krankhaft asymmetrische Erregung findet sich zum Beispiel bei einer Neuronitis vestibularis oder einem Morbus Meniere.

 

Lage- Lagerungsprüfung nach Dix-Hallpike (LP)

Das Gleichgewichtsorgan des Innenohres reagiert nicht nur auf Bewegungsänderungen durch Beschleunigung, Verzögerung oder Richtungsänderung, sondern auch auf statische Positionen (Ruhelagen). Ein sogenanntes „Otolithen-Organ“ im Innenohr, anatomisch gelegen zwischen Hörschnecke (Cochlea) und Bogengängen (Canales semicirculares), enthält kleine Kristallsteinchen, die je nach Lage des Körpers / Kopfes zum Schwerkraftfeld eine unterschiedliche Position einnehmen. Stellen Sie sich eine Wasserschale mit kleinen Kieselsteinchen am Boden vor. Je nach dem wie die Schale gehalten (positioniert) wird, werden sich die Steinchen auf dem jeweils tiefer liegenden Bodenrand  befinden. Das gleiche vollführen die Kristalle / „Steinchen“ auch im Innenohr und die Information darüber gibt uns eine Lagebestimmung auch in Ruhe.

 

cervicale Vestibulär Evozierte Myogene Potentiale (cVEMP)

Stark überschwellige, akustische Reize erzeugen über einen bestimmten Innenohrabschnitt (Sacculus, Otolithenorgan) einen Muskelreflex am Hals. Diese akustisch ausgelöste Muskelerregung wird mit dem Begriff VEMP bezeichnet.

VEMP-Untersuchungen sind im Rahmen der Differentialdiagnostik und Subtypisierung von Schwindelbeschwerden sinnvoll, wenn sich Hinweise auf eine Otolithenbeteiligung bei Störungen der Bogengänge oder eine isolierte Otolithenfunktionsstörung ergeben.

 

VEMP-Untersuchungen sind obligater Bestandteil der Vestibularisdiagnostik bei gutachtlichen Fragstellungen, die eine Beurteilung von Schwindel und Gleichgewichtsstörungen erfordern.  Im Rahmen der Differenzialdiagnostik einer Schalleitungsstörung (z.B. Otosklerose) muss mittels VEMP eine Dehiszenz des vorderen Bogengangs ausgeschlossen werden. Vor und ggf. nach chirurgischen Eingriffen am Innenohr sollten VEMP-Untersuchungen in Ergänzung zur Prüfung des Rezeptorstatus der Bogengänge durchgeführt werden.